Die NW war bei Levi Wilhelm zu Gast

Ein Jahr krebsfrei

Am 24. Dezember 2022 feiert die Familie Wilhelm Weihnachten wieder zusammen. Ein Jahr ist vergangen, seit der 14-Jährige Levi Wilhelm „krebsfrei“ ist. Was wünscht sich der einst schwer kranke Junge nun?

Der erste Blick vom Redakteur fällt an die Wand im Wohnzimmer der Familie Wilhelm. Dort, wo noch der „Arschloch“-Kalender hing, prangt jetzt ein anderes Bild. Ein Esel. Davor hängt ein anderer Datums-Anzeiger. Die beiden Adventskalender für den einst akut an Knochenkrebs erkrankten Levi Wilhelm und seinen Bruder Milo zeugen davon, dass inzwischen ein anderer Wind im Hause Wilhelm weht. Ein positiver.

„Weihnachten wird in diesem Jahr ruhiger“, sagt Levi zum Beginn der Ferien. Ein Jahr zuvor war das Christfest für ihn und seine Familie ein ganz besonderes. Er wurde am 24. Dezember 2022 aus dem Krankenhaus in Bethel entlassen. Die akute Phase der tückischen wie seltenen Krankheit, mit vielen Therapien und Operationen, hat er überstanden. Viele Gäste, Freunde und Pfleger kamen zu der Entlassfeier. Es war viel Trubel um den Jugendlichen. Sein Leben, das sagt er ganz offen, hat sich in den vergangenen zwölf Monaten radikal verändert. Und das seiner Familie obendrein.

Zunächst zu den positiven Dingen. Denn darauf schauen Levi Wilhelm, Mutter Kerstin, Vater Lutz und Bruder Milo am meisten. Hündin Amrai kam im vergangenen Herbst zur Familie. Das pechschwarze, neugierige Tier hat den Alltag noch einmal komplett auf den Kopf gestellt. Der Vierbeiner ist da, wenn die Sorgen einmal wieder kommen, bei kleinen oder größeren Problemen.

So hat sich das Leben des Jugendlichen verändert

In 2023 hat sich aber noch viel mehr verändert. „Man macht wieder mehr und ich musste mich wieder aufs normale Leben einstellen“, beschreibt Levi Wilhelm. „Es ist gut, sich wieder frei bewegen zu können, Freunde zu treffen und Fußball zu spielen.“ Sogar die Schule macht manchmal Spaß, wenngleich der erste Ferientag ein ebenso guter Anlass zum Feiern ist. Grundsätzlich sagt Levi Wilhelm: „Ich schiebe die Krankheit weit weg. Vergessen kann ich sie natürlich nicht so richtig, aber es ist nicht permanent da.“ Seinen Lebensmut, seine Fröhlichkeit, kann ihm keiner nehmen. Im Gegenteil: „Ich rede mehr als früher, bin lustiger.“ Levi Wilhelms Eltern Kerstin und Lutz quittieren das mit einem Lächeln. Die Familie sei durch die schwere Situation stärker zusammengewachsen. „Zwischen uns passt kein Blatt mehr“, sagt Lutz Wilhelm.

Was nicht bedeutet, dass die Tage und Wochen nun so unbeschwert verlaufen wie vor dem Krebs-Ausbruch. Drei Mal in der Woche muss Levi Wilhelm zur Physio-Therapie. Die Therapeuten versuchen dann, seinen Arm wieder beweglicher zu machen. Trotzdem wird er ihn nie wieder so benutzen können wie früher. Der Tumor befand sich in seinem rechten Oberarm. Er wurde bei einer komplizierten Operation großflächig entfernt. Und damit auch ein Stück Muskel und Knochen. „Ich kann leichtere Dinge tragen, schreiben und essen.“ Aber beim Anheben ist bei etwa einem Winkel von 15 Grad Schluss. Das schränkt ihn bei seinem Hobby Fußball und anderen Sportarten ein. Immerhin sind Basis-Funktionen vorhanden. „Mit dem Rest kann ich mich arrangieren“, so der Junge.

Außerdem ist der Ärzte-Marathon noch lange nicht beendet. Alle drei Monate müssen Levi und seine Familie nach Bethel zur Kontrolle. Dann werden Röntgenaufnahmen vom betroffenen rechten Arm und der Lunge gemacht. Denn wenn der Knochenkrebs wieder streuen sollte, dann zuerst an einer der beiden Stellen. Einmal im Jahr wird Levi zudem in einer Spezialklinik in Essen untersucht. „Die vielen Fahrten werden uns auch noch eine Zeit lang erhalten bleiben“, sagt Kerstin Wilhelm. Denn als komplett krebsfrei wird Levi erst in rund zehn Jahren gelten.

Aber bis dahin läuft noch sprichwörtlich viel Wasser den Borgholzhausener Violenbach runter. Die Wilhelms gehen jedenfalls umso mehr mit frohem Mut in die Zukunft. Und auch in das nun anstehende Weihnachtsfest 2023. „Wir konnten endlich wieder zusammen Wunschzettel schreiben“, sagt Levis kleiner Bruder Milo. Auch für ihn war die Krankheit seines Bruder eine schwere Zeit. Er bekam viel Ablenkung bei den Handball-Kollegen der TSG Harsewinkel. Der Verein engagierte sich übrigens auch für die Familie und veranstaltete . Fast schon folgerichtig landeten etliche Handballsachen auf dem Wunschzettel von Milo.

Und bei Levi? Was wünscht sich ein junger Mensch, der das größte Geschenk im Leben wohl schon erhalten hat? „Eine Massagepistole und einen Controller. Der ist durchgezockt“, sagt er. Ganz normale Wünsche, wie sie eben ein 14-Jähriger hat.

Bleibt noch die Frage, was eigentlich mit dem „Arschloch-Kalender“ passiert ist. Als Levi aus dem Krankenhaus kam, sollte das Ding als Zeichen einer schwierigen Zeit in Flammen aufgehen. „Das Ding war aber ganz schön hartnäckig“, erinnert sich Lutz Wilhelm. Aber die Familie hat auch das irgendwie geschafft. Und nicht nur an der Wohnzimmerwand hat eine andere Zeit begonnen.