Die NW berichtet heute

Oberligist TSG Harsewinkel reißt ein zur Pause beim 14:24 verloren geglaubtes Spiel gegen die SG Menden aus dem Feuer und die Zuschauer im Hasenbau von den Sitzen.

Erst Debakel, dann Spektakel

Hallensprecher Hansi Feuß legte ein Stimmungslied nach dem anderen auf, die Mannschaft der TSG Harsewinkel tanzte ekstatisch vor dem gleichermaßen be- wie entgeisterten Publikum. Der Hasenbau hatte gerade eine der größten Aufholjagden seiner Geschichte erlebt. An einem denkwürdigen Freitagabend riss der Handball-Oberligist ein beim 14:24-Halbzeitstand bereits verloren geglaubtes Spiel gegen den Tabellendritten SG Menden Sauerland Wölfe noch aus dem Feuer und gewann mit 37:35.

„Tot geglaubte leben länger“, beließ es der sonst mit Metaphern und lockeren Sprüchen nur so um sich werfende Manuel Mühlbrandt beim passenden Zitat eines Krimi-Klassikers. Der TSG-Trainer war fix und fertig, sein durchgeschwitztes schwarzes T-Shirt verriet seine Leiden. „Mühle“ hatte einen 30-minütigen Horrorfilm gesehen, dem sich ein Action-Kracher vom Allerfeinsten anschloss – mit einem fast schon schnulzig anmutenden Happy-End.

Als Max Schlögl 15 Sekunden vor Schluss beim 36:35 zum finalen Gegenstoß ansetzte, war es mucksmäuschenstill. Die 500 Zuschauer hielten den Atem an und stöhnten laut auf, als Schlögl den Ball an die Latte knallte. Der Abpraller aber landete bei Liam Lindenthal – und der versenkte den Ball zum 37:35. Die Halle tobte. „Bekommt Menden da den Ball, kassieren wir womöglich noch den Ausgleich“, mutmaßte Mühlbrandt, der nach einer desaströsen ersten Halbzeit die Kabinenwände wackeln ließ. „Da haben wir einen kleinen Einlauf bekommen“, bestätigte Lindenthal. „Es wurde noch einmal alles angesprochen. Wir haben unsere Fehler reflektiert, uns gegenseitig gepusht und die Köpfe wieder hoch genommen“.

Die waren ganz unten, nachdem die Wölfe im ersten Durchgang ihre Klasse demonstriert hatten. Mittelmann Christian Klein verteilte nach Lust und Laune und mitunter schon aufreizender Lässigkeit die Bälle und traf fast immer die richtige Entscheidung. Er fand mit seinen Anspielen den Kreis, die Außen oder setzte seine Rückraumkollegen in Szene. Die TSG-Abwehr war oftmals nicht im Bilde und im Angriff wirkten die Harsewinkeler ratlos.

„Tot geglaubte leben länger“

Das sollte sich nach der Halbzeit komplett ändern. Die Namen auf den Trikots waren zwar die gleichen geblieben, es standen aber gefühlt andere Spieler auf der Platte. Neu war lediglich Yannec Ergun aus der zweiten Mannschaft, der mithalf, den bärenstarken Mendener Kreisläufer Rafael Dudczak an die Kette zu legen. „Yannec hatte nur eine Aufgabe. Welche, das verrate ich nicht“, schmunzelte Manuel Mühlbrandt und meinte damit, dass Ergun mitunter wohl auch zu nicht ganz legalen Mitteln griff, um Dudczak zu stoppen. Hinter dem Abwehrriegel wuchs Torhüter Maik Schröder über sich hinaus und vernagelte in bester „Hexer“-Manier seinen Kasten. Und vorne schweißte Luca Sewing mit unfassbarem Selbstverständnis eine Kugel nach der anderen in die Mendener Maschen. „Lucky war so etwas von präsent. 30 Minuten Vollgas haben uns zum Erfolg geführt. Die Mannschaft war in der zweiten Halbzeit moralisch top eingestellt, Handball wurde mit Leidenschaft gearbeitet“, lobte „Mühle“, dem nicht verborgen geblieben war, dass sich seine Spieler vor der Partie mehr mit dem Gegner als mit sich selbst beschäftigt hatten.

„Menden wollte das Spiel noch am Donnerstag verlegen. Da ging es bei uns nur um die Frage: wer von denen kommt und wer nicht“, ärgerte sich Mühbrandt. Am Freitagabend reiste Menden dann mit voller Kapelle an. Es ehrt SG-Trainer Andy Palm, dass er in seiner Analyse nicht auf den ein oder anderen nicht ganz fitten Spieler in seinen Reihen verwies. „Wir hatten genügend Chancen und haben uns komplett selbst geschlagen“, sagte Pauly. „Mit neun Toren in einer Halbzeit gewinnt man nicht.“ Gut, es waren elf, aber das dürfte ihn auch nicht getröstet haben.

Bei der TSG sollten am Freitagabend mehr als nur zwei schnöde Punkte auf das eigene Konto gewandert sein. Zurückgekehrt dürfte auch der feste Glaube sein, in der Oberliga zu den besseren Mannschaften zu gehören – und der Klassenerhalt möglich ist.

TSG Harsewinkel: Schröder/Hendrich (18. bis 30.) – Indeche, Ergun (2), Braun (1), Lindenthal (1), Steinkamp (1), Wunsch, Kalter, St. Claire (5), Steinkühler (4), Hoff (7), Schlögl (3), Sewing (13/2)