Gelebte Inklusion durch Sport

 

TSG einfach FU 01.09.2012

Gelebte Inklusion durch Sport Initiative „Einfach Fußball“

TSG Harsewinkel stellt Fußballgruppe für Jugendliche mit Handicap auf die Beine

Sie treffen sich einmal wöchentlich. Immer samstags. Immer um 10 Uhr. Dann werden die Bälle aus dem Materialraum geholt, die Tore aufgestellt, die Übungen abgesprochen. Die Altersspanne der Teilnehmer ist ungewöhnlich für ein Fußballtraining. Schließlich reicht sie von zehn bis 28 Jahren.

Doch allen ist eines gemeinsam: Sie verbindet die große Leidenschaft für das kleine, runde Leder. Zu gucken, wie Franck Ribéry, Klaas-Jan Huntelaar, Mario Götze oder Marco Reus kicken und ihre Idole dabei anfeuern –  das ist das eine. Doch die  Jugendlichen mit Handicap in der TSG Harsewinkel wollen noch mehr. Und vor allem eines: Einfach Fußball spielen.

Dass sich Fußballgruppen für Kinder und Jugendliche mit Handicap in den Reihen der großen Betreuungsorganisationen wie Bethel oder der Lebenshilfe gründen –  das ist so ungewöhnlich nicht. Und neu ist die Idee, Fußball für Menschen mit Behinderung anzubieten, längst nicht. Dass sich aber ein regulärer Sportverein – vor allem ein reiner Fußballverein – dieser Idee annimmt: Das ist schon etwas Besonderes. Und nach Rot Weiß St. Vit ist die TSG Harsewinkel auch erst der zweite Verein im Kreis Gütersloh, der das Projekt „Einfach Fußball“ umsetzt.

Der langjährige Harsewinkeler und ehemalige Fußballprofi Dirk Otten (FC Gütersloh, 1. FC Nürnberg, DSC Arminia Bielefeld, SC Verl) hat sich für das Projekt eingesetzt. Und dafür mit der TSG Harsewinkel, der Michaelisschule Gütersloh, dem Laibach Hof Halle und nicht zuletzt der Bayer AG gleich vier Kooperationspartner an einen Tisch geholt. „Die Idee des Projektes ,Einfach Fußball’ passt in unsere Vereinsphilosophie ideal hinein“, erklärt Karsten Mahlke, Abteilungsleiter Fußball der TSG Harsewinkel.  „Jahrelang stand der Erfolg der Senioren im Vordergrund. Wir haben uns entschieden, wieder mehr in die Breite zu gehen, den Jugendfußball zu fördern. Wir wollen in allen Bereichen Mannschaften melden und Trainer gewinnen.“ Diese Phase der generellen Neuausrichtung –  von ihr profitiert nun  auch das Projekt „Einfach Fußball“.

„Unsere Intention bei der Mannschaft ist nicht schneller, höher, weiter“, betont Dirk Otten. „Wir wollen den Teamgeist und das Selbstbewusstsein der Jugendlichen fördern“, so der 44-Jährige. Gemeinsam mit Sabrina Graf und Nadine Subryhs trainiert der Initiator auch die Mannschaft. Darüber hinaus wird das Trio von A-Jugendlichen der TSG unterstützt.
„Die Trainer und der Verein sind entscheidend“, pflichtet ihm Gregor Schwermer, Leiter der Vereinskoordinierung bei der Bayer AG, bei. „Bayer unterstützt das Projekt materiell. Aber es mit Leben zu füllen, liegt in den Händen des Vereins.“ Dass die Jugendlichen nun allesamt einheitliche Trikots haben, das ist indes dem Sponsoring des Unternehmens zu verdanken. Ende April war die Mannschaft zudem auf das Trainingsgelände von Bayer Leverkusen eingeladen, konnte im Anschluss das Bundesligaspiel gegen Hannover 96 in der Bay-Arena verfolgen.

Mit Bertelsmann Arvato und Porta Möbel hat Dirk Otten darüber hinaus zwei weitere gewichtige Sponsoren gewinnen können. „Porta“, erklärt Dirk Otten, „unterstützt uns für mindestens drei Jahre.“

Zehn der 24 Jugendlichen, die am Training teilnehmen, leben auf dem Laibach Hof in Halle. „Das kommt großartig an“, schwärmt Leiterin Angelika Kuhlmann. „Es öffnen sich jetzt gegenseitig Welten“, findet sie. „Ich bin überzeugt, dass alle Beteiligten etwas davon haben.“
„Das Freizeitverhalten unserer Schüler ist oftmals eingeschränkt“, weiß Roman Knitter, Schulleiter der Michaelisschule. „Das Projekt war ein absoluter Glücksfall für unsere Schule. Es gab spontan 18 Interessenten. Die Schülerinnen und Schüler sind hoch motiviert, eben auch, gegen andere Mannschaften zu spielen, die nicht gehandicapt sind. Der Sport“, weiß er, „ist ein Transporter für viele andere Dinge.“  

Mit der Initiative „Einfach Fußball“  fördert die Bayer AG die Teilnahme von Kindern und Jugendlichen mit Behinderung am Vereinsfußball.  Deutscher Fußball-Bund  (DFB) und Bayer AG riefen die Initiative 2010  ins Leben. Dabei kooperiert Bayer mit Fußballvereinen, die ein regelmäßiges Training für Mädchen und Jungen mit einer geistigen oder Lern-Behinderung innerhalb ihres normalen Vereinssportbetriebes anbieten. In 15 Vereinen – darunter der Bundesligaclub Bayer 04 Leverkusen – stößt das Pilotprogramm auf große Resonanz. Rund 250 Mädchen und Jungen mit Behinderung spielen Woche für Woche „Einfach Fußball“. Tendenz: steigend. Ziel von „Einfach Fußball“ ist es, mehr Jugendlichen mit Behinderung den Zugang zum Vereinsfußball und damit die Teilnahme und gleichberechtigte Teilhabe am organisierten Breitensport zu ermöglichen. Mit dem Programm werden somit auch die Ziele der UN-Behindertenrechtskonvention verfolgt.

© VON ALEXANDER HEIM / 2012 Neue Westfälische
Samstag 01. September 2012