Aus dem Schatten ins Rampenlicht / Sportlerwahl 2009

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Abstimmung für die NW Sportlerwahl 2009

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Tischtennis-Jugendmannschaft der TSG Harsewinkel feiert den Titelgewinn in der Verbandsliga

Tischtennis ist ein Sport, bei dem viel über Technik und Material philosophiert wird. Zwar mag sich ein Spieler Gedanken machen, ob er lieber einen Belag mit Noppen außen oder innen auf seinen Holzschläger klebt. Doch will er letztlich das Match gewinnen, muss er eigentlich nur die Erfolgstaktik von Adrian Große Freese befolgen. „Hauptsache, man macht den letzten Punkt“, sagt der Spieler der TSG Harsewinkel.

So locker, wie es sich anhört, gewann seine Mannschaft 2009 den Titel in der Jugend-Verbandsliga, der höchsten westdeutschen Spielklasse. Zum letzten Match tritt das Team nun bei der NW-Sportlerwahl an.

Ob der Titelgewinn überraschend kam oder vorprogrammiert war, darüber gehen über ein halbes Jahr nach Saisonende die Meinungen auseinander. Während Trainer Viktor Martens die Meisterschaft als „logische Fortsetzung der vergangenen Jahre“ verbucht, ordnet ihn Mannschaftskapitän Lars Holtkamp (16) wesentlich höher ein. „Wir sind nur mit dem Ziel gestartet, unter die ersten Fünf zu kommen“, sagt er.

Beide Ansichten lassen sich nachvollziehen. Vier Mal in Folge war das Quartett bis in die höchste Spielklasse aufgestiegen, hatte damit mehrfach seine Stärke demonstriert. Zu den beiden Leistungsträgern Lars Holtkamp und Adrian Große Freese (16) stieß mit Nils Becker (17) ein weiterer Top-Spieler. Allerdings konnte niemand das Niveau in der neuen Liga genau einschätzen – was Holtkamps Zu­rückhaltung stützt.

Spätestens, als die TSG mit nur einer Niederlage die erste Saisonhälfte beendete, ging aber auch er in die Offensive: „Jetzt wollten wir Meister werden.“

Dabei überließ die Mannschaft nichts dem Zufall. Die Nummer vier Alex Lisin (16), der als Einziger mit 4:9 eine negative Bilanz aufwies, wurde durch Michael Sieb (16) ausgetauscht. Der steuerte in der Rückrunde acht Siege bei, die Harsewinkeler hatten keine ernsthafte Konkurrenz mehr. Mit 34:2-Zählern deklassierten sie den Verfolger BSV Ostbevern gleich um fünf Punkte. Beeindruckend auch die Einzelbilanzen: Adrian Große-Freese avancierte mit 35:6-Siegen zum besten Spitzenspieler der Liga. Die Nummer zwei, Lars Holt­kamp, schnitt mit 27:11 ebenfalls erfolgreich ab. Nils Becker imponierte mit 36 Siegen und vier Niederlagen.

Doch warum setzt gerade das kleine Harsewinkel im Jugend-Tischtennis die Maßstäbe? „Der Trainer ist sehr gut“, erklärt Adrian Große-Freese und schiebt ein breites Grinsen hinterher. Will heißen: Der 60-jährige Viktor Martens genießt einen ausgezeichneten Ruf, die 13- bis 17-Jährigen optimal zu fördern. Genauso gilt er jedoch als harter Hund, der viel Wert auf Disziplin legt: „An seinen Tonfall muss man sich erst gewöhnen“, sagt Adrian Große-Freese. In den vergangenen Jahren sei sein Lehrmeister aber schon „wesentlich milder“ geworden.

Abschrecken lässt sich durch das ein oder andere raue Kommando niemand. „Zu uns kommen alle freiwillig“, sagt Viktor Martens. Seit 1991 kümmert sich der im Süd-Ural geborene Tischtennistrainer bei der TSG um die Talente. Seine gute Arbeit hat sich in der Region rumgesprochen. Adrian Große-Freese nimmt die weite Anreise aus Versmold auf sich: „Ohne Viktor wäre ich nicht so weit gekommen.“ Als Einziger stammt Lars Holtkamp aus Harsewinkel, Nils Becker (Rietberg), Alex Lisin (Clarholz) und Michael Sieb (Halle) sind ebenfalls auf elterlichen Fahrdienst angewiesen.

Bis zu viermal pro Woche trafen sich die Jugendlichen in der heißen Phase zum Training in der Astrid-Lindgren-Schule. Der hohe Aufwand steigerte aber nicht nur die Leistung, sondern auch den Teamgeist.

„Wenn man sich so oft sieht, wird man automatisch zu Freunden“, sagt Lars Holt­kamp. So wie sie gemeinsam den Verbandsligatitel gefeiert haben, half die Ka­me­­radschaft über die folgende, „bittere Enttäuschung“ hinweg. Im Viertelfinale der westdeutschen Meisterschaft fehlten gegen die DJK TuS Holsterhausen aus Essen nur wenige Punkte. Das Match endete nach Spielen zwar unentschieden 5:5, das schlechtere Satzverhältnis von 19:21 stempelte die TSG Harsewinkel aber zum Verlierer.

Viel Zeit zum Trauern blieb sowieso nicht. Adrian Große-Freese, Lars Holtkamp und Nils Becker trösteten sich im Pokalwettbewerb. Dass hier nur drei Spieler pro Mannschaft antreten, machte die TSG noch stärker. Nach dem souveränen Erfolg auf Bezirksebene schaffte das Team auf westdeutscher Ebene im Halbfinale die Sensation. Mit einem 4:3 über Bayer Uerdingen, zuvor gerade westdeutscher Meister geworden, qualifizierte es sich fürs Finale. Und wieder entschied ein Spiel über Sieg oder Niederlage. Obwohl Gegner Haarener TV das glücklichere Finish für sich verbuchte, fand es Lars Holtkamp „nicht so schlimm“, verloren zu haben: „Das war der größte Erfolg in dieser Saison.“

Carsten Biermann /NW vom 02.01.2010